Ein Plädoyer für den sachlichen Umgang mit der gemeinsamen Raumplanung in der Region Flensburg / Gastbeitrag von Thomas Jepsen, Mitglied des Kreistages, stellv. Fraktionsvorsitzender und stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender
2015 war ein vertanes Jahr für die Flensburger Region. Schon zuvor hatte man sich in Flensburg und den Nachbarkommunen mit der Fortführung der „Stadt-Umland-Kooperation“ beschäftigt. Aufgrund unterschiedlicher Interessen war aber keine schnelle Lösung absehbar. Die schwierigen Verhandlungen mussten letztlich wegen unterschiedlicher Entwicklungsvorstellungen scheitern. Für einfache Lösungen ist der Siedlungsdruck im gesamten Stadt-Umland-Bereich zu groß. Ein starres Beharren an oberzentralen „Hauptstadt“-Interessen ohne gegenseitiges Verständnis hatte zur Folge, dass die Umlandgemeinden die bestehende Vereinbarung zur regionalen Wohnraumentwicklung kündigten. Der Konflikt kann nur mit einem sachlichen Umgang und mit gegenseitigem Verständnis bei einer klaren Positionierung für die gemeinsame Region gelöst werden. Die Region Flensburg muss eine Entwicklungs-Chance bekommen.
Die Diskussionen um Verwaltungsorganisation, Stadtgrenzen oder Finanzen lenken häufig von der eigentlich raumplanerischen Aufgabenstellung ab und belasten die Verhandlungsatmosphäre. Die Debatte darf dennoch parallel geführt werden, ob die Kommunen ihre staatlichen Aufgaben in großen, zentralen oder in kleineren, dezentralen Verwaltungen organisieren.
Was dabei bürgerfreundlicher, günstiger und effektiver ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es muss je nach räumlicher Situation gesondert betrachtet werden. Im urbanen Raum wie Flensburg ist es sicher günstig und effektiv, kommunale Verwaltungsaufgaben im Stadtgebiet zentral zu organisieren. Im Umland sind weitere Entfernungen und räumlich unterschiedliche Gegebenheiten zu beachten, was oftmals für eine dezentrale Verwaltungsorganisation im Landkreis spricht.
Sollte der erste Siedlungsring
ganz einverleibt werden?
Die von Flensburgs Oberbürgermeister Simon Faber angestoßene Debatte um die Großkommune nach dänischem Vorbild hat nicht nur die Gespräche blockiert, sondern sie ist auch müßig zu führen. Faber hatte ja nicht einmal klar formuliert, wo eine Großstadt Flensburg ihre Grenzen haben soll. Ob „nur“ die direkten Nachbargemeinden Harrislee, Glücksburg und Wees oder der gesamte „erste Siedlungsring“ von Handewitt über Tarp und Sieverstedt bis Ausacker und Dollerup mit insgesamt 55 000 Einwohnern einverleibt werden soll, das hatte Faber offen gelassen.
Letztlich geht es dabei auch um Verwaltungsmacht und zeugt nur von oberzentraler Dominanz ohne Kooperationswillen. Von Flensburg kommen für neue Wohneinheiten im Umland stets Forderungen nach einem monetären Ausgleich für die Wahrnehmung oberzentraler Leistungen oder zur Verwirklichung und Unterstützung von strategisch wichtigen überregionalen Aufgaben. Das wird vom Umland aber beständig abgelehnt, weil es für ebendiese Leistungen und Aufgaben bereits vom Land geregelte Finanzausgleichsmittel für das Oberzentrum gibt. Zudem werden einzelne in Flensburg vorhandene überörtliche Einrichtungen auch gesondert finanziert, wie zum Beispiel die Universität vom Land, das Krankenhaus von den Krankenkassen oder die weiterführenden Schulen über Schulkostenvollbeiträge von den Umlandgemeinden. Entsprechend argumentiert Flensburg mit anderen angeblich überregional bedeutsamen Aufgaben wie Musikschule, Stadtbibliothek, ZOB, Stadion oder dem Projekt „Nette Toilette“.
Von den Umlandgemeinden werden diese Aufgaben aber zu Recht nicht als überregional, sondern ausschließlich als örtlich angesehen, zumal die Gemeinden solche Angebote mit Kreismusikschule, Fahrbücherei, ÖPNV-Leistungen oder eigenen Sportstätten bereits vor Ort vorhalten und finanzieren.
Zudem werden Finanzmittel für Wohnbaueinheiten im Umland auch als Lastenausgleich in einen bürokratischen Fonds zugunsten Flensburgs eingefordert; obwohl das Umland sich nicht als Belastung, sondern als Stabilisator des Oberzentrums empfindet. Jeder Umlandeinwohner stärkt die Kauf-, Steuer- und Finanzkraft in Flensburg, und der Trend von ländlichen Gebieten hinein ins bzw. in die Nähe zum Zentrum stabilisiert das Stadt-Umland-Gebiet und dabei insbesondere Flensburg.
Die Verhandlungspartner Stadt und Umland müssen wieder zurückkommen zur eigentlichen Stadt-Umland-Kooperation und diese weiterentwickeln. Dabei geht es weder um Stadtgrenzen oder Finanzen, sondern ausschließlich um Raumplanung. Welche raumplanerischen Themen bei einer Kooperation behandelt werden sollen, wird klar im Landesentwicklungsplan der Landesregierung vorgegeben. Wie das Stadt-Umland-Gebiet kooperiert, bleibt den Gebietspartnern überlassen.
2007 wurde der Wohnungsbedarf für die Region zu gering geschätzt
Das Thema „Wohnen“ ist mit Abstand das Dringendste, zumal die bisherige und inzwischen gekündigte Kooperationsvereinbarung nur dieses Thema behandelte. Auf Basis der Wohnungsneubaubedarfseinschätzung von 2007 hatten Flensburg und Umland sich auf einen quantitativen Entwicklungsrahmen bis Ende 2020 verständigt, der Wohnbaukontingente je nach Gemeinde gesondert festgelegt hatte. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass der Wohnungsneubaubedarf für Flensburg und Umland damals deutlich zu gering prognostiziert wurde. Auch aufgrund der Attraktivität des Oberzentrums und seines Umlandes hat der Siedlungsdruck ständig zugenommen. Auch haben sich durch die demografische Veränderung andere Wohnungsbedarfe ergeben, wodurch sich die qualitativen Anforderungen an Siedlungsstrukturen verändern. Die Flensburger Angst vor einer „Stadtflucht“ ist unbegründet. Auch die Umlandgemeinden müssen dem Wohnungsbedarf nachkommen, um den örtlichen Bedarf zu decken und um die Gesamtregion zu stabilisieren.
Unerklärlich, wenn in Handewitt oder Wees nicht mehr gebaut wird
Auch um das Umland attraktiv zu halten soll nicht „auf der grünen Wiese“ gebaut, sondern in Ortskernen verdichtet werden. Dabei sind auch im Umland Siedlungsschwerpunkte ohne enge Obergrenzen zu benennen: die Stadtrandkerne Glücksburg und Harrislee, das Unterzentrum Tarp und die Gemeinden mit besonderen Wohn-/Versorgungsfunktionen: Handewitt und Langballig. Auch wurde Wees mit seiner Gewerbefunktion von der Landesplanung bisher als Siedlungsschwerpunkt betrachtet. Zudem sind weitere Orte so zu definieren wie etwa Husby, das ja auch schon mal eine besondere Wohnfunktion hatte. Kleinere Orte werden sich ohnehin auf den örtlichen Bedarf konzentrieren. Aber es wäre unerklärlich, wenn in Handewitt, Wees oder Husby zehn Jahre lang kein einziges Haus gebaut werden darf, obwohl und gerade weil in Flensburg die Wohnbaunachfrage nicht befriedigt werden kann.
Aber die Stadt-Umland-Kooperation sollte nicht nur im Bereich Wohnen wieder aufleben, sondern als interkommunale Vereinbarung inhaltlich auch mit den weiteren Themen Gewerbe, Einzelhandel, Daseinsvorsorge, Freiraumsicherung und Tourismus zu einem ganzräumlichen Konzept umfänglich erweitert und weiterentwickelt werden, sodass eine verbindliche Grundlage für die Raumplanung im Stadt-Umland-Bereich mit einem fairen Interessenausgleich gewährleistet wird.
Dabei sind auch für die gewerbliche Entwicklung im Umland Möglichkeiten in geeigneten Orten zu schaffen und interkommunale Gewerbegebiete weiter zu entwickeln. Bestehenden Gewerbebetrieben dürfen verträgliche Erweiterungen am Unternehmenssitz nicht verwehrt werden. Der Einzelhandel muss sich auch im Umland entwickeln dürfen und soll dabei nicht durch quadratmeter- oder sortimentsgenaue Begrenzungen gehindert werden. Ebenso dürfen sich ärztliche Versorgung und Bildungseinrichtungen nicht ausschließlich auf Flensburg konzentrieren, sondern sind auch bedarfsgerecht im Umland vorzuhalten. Diese Themen wurden leider in den Ende 2014 präsentierten Grundsätzen zur Weiterentwicklung der Kooperation gar nicht, unzureichend oder nur oberzentral orientiert behandelt. Der Freiraumverbund mit Natur, Landschaft und Erholung wurde aber genauer betrachtet. Dem Umland ist seine Verantwortung dabei sehr wohl bewusst: mit Kompensationsflächen und Ökokonten können Interessen mit Flensburg ausgeglichen werden, aber das Umland sollte sich nicht darauf reduzieren lassen. Es muss klar werden, welche Chancen das Umland überhaupt bekommen soll.
Flensburg und Umlandkommunen müssen sich ihrer Verantwortung für den Landesteil bewusst werden und sich gemeinsam gut aufstellen, um sich im Wettbewerb der Regionen behaupten zu können. Die Gesamtregion Flensburg muss gestärkt werden. Dabei gilt es, gut nachbarschaftlich auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Flensburg darf ebenso wenig das Umland diktieren, wie die Umlandgemeinden sich nicht in die Flensburger Planungshoheit einmischen. Gleichwohl muss sich abgestimmt werden. Die einzelnen Interessen müssen sich in einem Gebietsentwicklungsplan zugunsten der Region wiederfinden. Noch mangelt es leider oft an gegenseitigem Verständnis. Das Umland ist in puncto Raumplanung aufgrund der Landesplanung abhängig von Flensburg. Doch auch Flensburg muss die Vorgaben aus Kiel beachten. Wenn sich das Stadt-Umland-Gebiet aber gemeinsam stark positioniert, können die regionalen Interessen deutlich besser zur Geltung kommen. Wenn wir uns nicht bewegen, werden wir bewegt und fremdgesteuert.
Aktuell gelten die Regelungen von Landesentwicklungs- und Regionalplan; diese sind aber für die Weiterentwicklung von Gewerbe, Handel, Daseinsvorsorge und Siedlungsentwicklung mit einem guten Wohnungsangebot unzureichend. Nun ermittelt die Landesplanung Potenzial und Bedarf für Wohnbauflächen, um zu einer Vereinbarung zu gelangen. Hoffentlich fruchtet dieser Moderationsversuch und berücksichtigt die Bedürfnisse der Gesamtregion mit ihrer positiven Bevölkerungsentwicklung.
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